Sonntag, 23. Mai 2010

Erziehungskurse sollten Pflicht sein

Interview der NZZamSonntag mit Sonja Doll Hadorn, Zoologin und Therapeutin für verhaltensauffällige Hunde

Frau Doll Hadorn, was läuft schief zwischen Mensch und Hund?

Der Hund wird nicht mehr als das gesehen, was er ist: ein domestiziertes Raubtier mit einer eigenen Psychologie. Fremde fassen die Tiere ungefragt an. Und auch die Besitzer sind sich oft nicht bewusst, was ihre Hunde als anmassend, verwirrend oder bedrohlich empfinden können. Wo der Mensch aber als kompetenter Anführer versagt, übernimmt der Hund die Chefrolle. Und entscheidet selbst, weil er sich für den Schutz des «Rudels» verantwortlich fühlt.

Welche Situationen sind kritisch?

Konkurrenzsituationen um Aufmerksamkeit zum Beispiel. Und alles, was sich im Territorium des Hundes, also rund um den Halter, das Haus oder das Auto abspielt.

Warum sind Kinder so häufig Opfer?

Weil sie den Raum des Hundes am wenigsten wahren. Umarmungen zum Beispiel empfindet er als extrem beengend. Im Familienleben kann er Kinder als Konkurrenz sehen. Ist ein Hund mit kindlichen Bewegungen oder Geräuschen nicht vertraut, können sie auf ihn bedrohlich wirken. In den schlimmsten Fällen nimmt er das Kind als Beute wahr.

Hunde beissen viel häufiger zu als angenommen. Und zusätzliche Unfälle verursachen noch mehr Kosten. Sind Sie von der Suva-Studie überrascht?

Jein. Ich will sie auch nicht schönreden. Mich stört aber, dass die Umstände der Unfälle nicht erfasst sind. So entsteht ein einseitiges Bild von aggressiven Hunden. Meistens aber ist fehlerhaftes Verhalten von Haltern oder ihren Mitmenschen die Ursache. Das aber wird bei der Versicherung sicher nicht angegeben.

Welche Massnahmen müssen ergriffen werden, um Unfälle zu vermeiden?

Hunde entwickeln problematisches Verhalten oft erst später. Darum sollten Erziehungskurse nicht nur für Junghunde, sondern auch für ausgewachsene Tiere Pflicht sein. Die kleinen Rassen eingeschlossen. Es ist wie im Strassenverkehr: Ob man einen Mini fährt oder einen Offroader, die Regeln müssen alle beherrschen.

Quelle: NZZamSonntag

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen