Mit acht Wochen sollte ein Welpe in sei neues Zuhause umziehen. Erfahrungen, die früh gemacht werden, formen das Wesen für immer. So galt es lange unter Hundeleuten. Doch in verkrustete Weisheiten kommt Bewegung.
Auszüge aus einem Hunde-Experten Talk mit 6 bekannten deutschen Hundetrainern, darunter Jan Nijboer sowie der Kynologin Dr. Dorit Feddersen-Petersen.
Es kommen immer mehr Kunden die in der achten bis sechzehnten Woche ihrer Hunde grossen Stress haben, weil sie etwas über die Prägephase gehört haben und nun meinen, in den nächsten vier Wochen müssten sie unbedingt mit ihrem Hund Bus fahren, ins Einkaufszentrum gehen etc.
Der Hund wiederum hat genau so Stress wie sein Halter und eigentlich gar nicht richtig Zeit in seinem neuen zu Hause anzukommen und herauszufinden, wer nun seine neuen Sozialpartner sind. Stattdessen muss er dreihundertfünfzig Leute im Einkaufszentrum treffen und alle möglichen Verkehrsmittel ausprobieren, sowie noch möglichst alle Cafes der Stadt kennenlernen.
Jedoch ist es manchmal nicht mehr reparabel, wenn ein Welpe in dieser frühen Phase zu vielen Reizen ausgesetzt und überflutet wurde. Der Aufbau der Stressresistenz, welche er in diesem Alter dringend braucht, ist bei konstanter Reizüberflutung nicht möglich.
Laufende Langzeitstudien beobachten Welpen und Junghunde, die bewusst ruhig und ohne Sozialisierungsstress aufwachsen, natürlich nicht ohne entsprechende Spaziergänge und Sozialkontakte mit anderen Hunden. Die beobachteten Hunde zeigen sich nervlich belastbarer und ohne Hyperaktivität. Berichtet wir unter anderem von zwei Hunden im Alter von sieben und neun Monaten, welche zum ersten Mal in diesem Alter eine Stadt, bzw. einen Flughafen besuchten und dabei vollkommen entspannt und ruhig waren.
Es wird jedoch auch dahingehend verwiesen, dass Hunde, welche unter starkem Stress, bzw. auch unter absoluter Reizarmut aufwachsen später Verhaltensstörungen zeigen.
Es kommt auf das goldene Mittelmass an. Manche Hunden werden von bestimmten Massnahmen absolut überfordert, andere damit jedoch unterfordert. Es gibt keine Schwarzweiss-Regeln. Massnahmen sind auf Rasse und Individuum anzupassen.
Ein Zunahme an „durchgeknallten“ Hunden wird auf die Konstellation Hundeschule-Hundehalter zurückgeführt. D.h. der neue Hundehalter will natürlich alles perfekt machen und übertreibt jedoch letztendlich.
Das erste was mit einem jungen Hund getan werden sollte ist nicht Action, sondern eine Beziehung aufzubauen, welche sein neues Rudel einschliesst.
Interessanterweise gehen die Meinungen der Experten bei der optimalen Abgabe-Zeit des Welpen an den neuen Besitzer auseinander. Während die einen zur neunten bis vierzehnten Woche tendieren, sehen die anderen dies als viel zu spät an und erachten Kontakte bereits in der dritten und vierten Woche als wichtig. Mehrstimmig war man sich jedoch einig, dass aufgrund der gemachten Erfahrungen mit den Kunden man der Mehrheit keine Welpen bereits mit sechs Wochen anvertrauen würde.
Quelle: Magazin "dogs" 2/2010
Samstag, 10. April 2010
Freitag, 9. April 2010
Wie vermeide ich Stress mit anderen Hunden?
Kennen Sie das? Ihr Hund läuft angeleint neben Ihnen durch den Park, da taucht ein fremder Hund auf. Groß, aufdringlich, bedrohlich. Von seinem Besitzer keine Spur. Sie beobachten, wie sich beide Hunde steif machen, wie sich ihr Nackenfell sträubt und beide knurren. Für viele Halter sind solche Begegnungen ein emotionaler Notfall mit entsprechenden Begleiterscheinungen: Stress, Ohnmacht, Angst.
Jetzt bloß keine Panik
Entscheidend ist nicht, wie sich die Hunde jetzt verhalten, sondern was der Mensch in so einer Situation tut.
In den meisten Fällen laufen solche Begegnungen völlig harmlos ab, vorausgesetzt die Besitzer behalten die Nerven.
Völlig falsch wäre es, sich schreiend und wild gestikulierend zwischen die Hunde zu stürzen. Dann könnte ein bis dahin völlig harmloses gegenseitiges Abchecken tatsächlich zur handfesten Beißerei ausarten.
Tipp: Den eigenen Hund von der Leine lassen (oder Leine einfach fallen lassen) und sich ein paar Schritte entfernen. "So erreichen Sie zwei Dinge: Zum einen geben Sie Ihrem eigenen Hund die nötige Bewegungsfreiheit, um sich dem fremden Tier gegenüber angemessen zu verhalten, zum anderen entlasten Sie ihn von der Aufgabe, Sie zu beschützen". Mit einem Mal sich selbst überlassen, kommt es bei ausreichend sozialisierten Hunden nur in seltenen Fällen zu Beschädigungskämpfen zwischen Kontrahenten. Das passiert eigentlich nur, wenn es um wichtige Ressourcen wie ein läufiges Weibchen oder Futter geht. Viel gefährlicher wird es, wenn beide Hunde angeleint sind.
Bleiben Sie nicht stehen
Wenn man den Ursachen schwerwiegender Beißvorfälle zwischen Vierbeinern auf den Grund geht, so haben die Halter oftmals die Situation bei Begegnungen mit angeleinten Hunden falsch eingeschätzt.
Es wird einfach zu lange zugeschaut. Wenn beide Hunde sich versteifen, die Nackenhaare aufstellen und der eine dem anderen die Schnauze auf den Rücken drückt, wird es höchste Zeit sich zu entfernen.
Tipp: Führen Sie beide Tiere in entgegengesetzte Richtungen auseinander. Tun Sie es ruhig und bestimmt, ohne Hektik, aber auch ohne zu zögern. Zügig wegzugehen ist auch die richtige Maßnahme, wenn Sie beim Gassigehen von einem frei laufenden Hund verfolgt werden. Er wird noch ein paar Schritte hinterher kommen, früher oder später aber stehen bleiben oder sich entfernen. Natürlich kann man so ein Tier einschüchtern und vertreiben, mit Worten und drohender Körpersprache, jedoch sollte man sich seiner Sache dann hundertprozentig sicher sein.
Das muss so entschieden und eindeutig geschehen, dass der fremde Hund die Intervention wirklich ernst nimmt. Sonst kann das nach hinten losgehen. Wer damit keine Erfahrung hat, sollte das lieber lassen.
Hunden mehr zutrauen
Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen setzt auf eine gute Sozialisation, wenn es um die Konfliktprävention zwischen Vierbeinern geht. "Ein gut sozialisierter Hund weiß sich selbst zu helfen. Durch seine Erfahrungen aus zurückliegenden Hundebegegnungen ist er in der Lage, sich und andere einzuschätzen. Er geht weder verängstigt noch mit übersteigertem Selbstbewusstsein in eine Begegnung. Wenn er dann noch gut erzogen ist und auf seinen Besitzer hört, wenn der ihn abruft, kann gar nichts schief gehen." Die Kieler Verhaltensforscherin betrachtet eine solche Interaktion sogar als vertrauensbildende Maßnahme zwischen Mensch und Tier: "Das Abrufen aus einer kritischen Situation ist ja auch eine Entlastung für meinen Hund, denn ich nehme ihm die Entscheidung ab. Er weiß jetzt: Frauchen oder Herrchen hat das im Griff und will, dass ich diese Auseinandersetzung beende. Außerdem interessiert es sich nicht dafür, wie mein Konflikt ausgeht, ob ich gewinne oder verliere." Hier käme es natürlich auf eine gute Koordination zwischen den Haltern an, denn idealerweise würde der andere Besitzer seinen Hund im gleichen Moment auch zu sich rufen, erläutert die Ethologin. Für den Fall, dass der eigene Hund ängstlich reagiert, wenn ein aufdringlicher Freigänger die Verfolgung aufnimmt, rät Feddersen-Petersen dazu, fest mit dem Fuß aufzustampfen und mit lauter, tiefer Stimme "Aus!" oder "Schluss!" zu rufen, um den Fremdling in die Schranken zu weisen.
Aufreiten unterbinden
Aufreiten ist nicht nur sexuell motiviert, sondern passiert auch zwischen Rüden oder Hündinnen. Es handelt sich um eine ritualisierte Dominanzgeste im hündischen Ausdrucksrepertoire. Für ein paar Sekunden sollte man das ruhig zulassen, jedoch nicht länger. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass der oder die Berammelte aus Frustaggression zuschnappt und den Aufsitzenden verletzt.
Tipp: Den aufgerittenen Hund anleinen und zügig weggehen.
Trennung einleiten
Und wenn es wider Erwarten doch zur ernsthaften Beißerei kommt? Dann sollte man beherzt zugreifen, allerdings mit Sinn und Verstand. Aber Vorsicht: Einer der häufigsten Anlässe, bei denen Menschen Bissverletzungen erleiden, ist das Trennen raufender Hunde. Die folgende Anleitung ist ausschließlich dann zu empfehlen, wenn auch der Halter des anderen Hundes zu einer koordinierten Aktion bereit ist und beide das hohe Risiko einer Bissverletzung in Kauf nehmen.
1. Ruhe bewahren:
Zu echten Beschädigungskämpfen kommt es sehr selten. Ernsthafte Beißereien entstehen meist erst, wenn die Besitzer sich einmischen.
2. Keine Gewalteinwirkung:
Tritte oder Schläge gegen Hunde, die aufeinander losgehen, sind tabu. Jede Form von Schmerzeinwirkung führt zur Eskalation, weil Hunde sie dem jeweils anderen Hund zurechnen.
3. Rechtzeitig eingreifen:
Warten Sie nicht ab, bis sich die Hunde ineinander verbeißen, sondern greifen Sie frühzeitig ein.
4. Kommunizieren Sie:
Sprechen Sie den anderen Halter an. Fragen Sie ihn, ob er zu einer koordinierten Aktion bereit ist.
5. Koordinierte Aktion:
Beide Halter packen ihre Hunde gleichzeitig mit einer Hand am Halsband, mit der anderen an einem der Hinterläufe. Dann ziehen beide ihren Hund energisch und entschlossen vom Gegner weg und halten ihn weiterhin sicher fest.
6. Luft abdrücken:
Falls einer der Hunde nicht loslässt, sollten Sie versuchen, ihm mit Verdrehen des Halsbands die Luft abzudrücken und Bewegung unmöglich zu machen.
7. Weiter festhalten:
Halten Sie Ihren Hund gut fest und führen Sie ihn sofort weg.
8. Sofort zum Tierarzt:
Auch wenn Ihr Hund äußerlich unversehrt erscheint, sollte er von einem Veterinär untersucht werden. Denn innere Verletzungen können zum Tod führen, wenn sie nicht sofort vom Fachmann diagnostiziert und behandelt werden.
Warnung: Sollten Sie allein in diese gefährliche Situation geraten, ist von einem Eingreifen dringend abzuraten. Auch wenn's schwer fällt, vertrauen Sie auf das in der Regel gute Konfliktmanagement unter Hunden.
Sieben Regeln für entspannte Hundebegegnungen
1. Auf Nummer sicher gehen
Lassen Sie Ihren Hund auf Gassigängen oder auf der Hundewiese nur frei herumlaufen, wenn Sie ihn jederzeit sicher abrufen können. Sobald Sie ihn rufen, muss er zuverlässig gehorchen.
2. Den Hund anleinen
Wenn Ihr Hund zum Raufen neigt, leinen Sie ihn an, bevor es zu einer Begegnung mit fremden Artgenossen kommt. Zögern Sie nicht, den anderen Halter darum zu bitten, sein Tier ebenfalls anzuleinen. Führen Sie Ihren Hund mit ausreichendem Sicherheitsabstand vorbei.
3. Rechtzeitig abrufen
Ist Ihr Hund eher verträglich, reicht es aus, wenn Sie ihn vor der Begegnung zu sich rufen und bei Fuß gehen lassen. Stimmen Sie mit dem anderen Besitzer ab, ob die Hunde einander beschnuppern dürfen. Wenn ja, geben Sie Ihrem Hund das entsprechende Zeichen.
4. Mit Haltern reden
Vermeiden Sie Situationen, bei denen nur einer der beiden Hunde angeleint ist, denn das führt oft zu Aggression. Rufen Sie dem fremden Halter zu, dass er sein Tier anleinen möge, oder lassen Sie Ihren Hund von der Leine.
5. Leinensalat vermeiden
Lassen Sie angeleinte Hunde nicht miteinander spielen. An der Leine reagieren viele Hunde unsicher oder aggressiv. Außerdem ist ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt und die Leinen verheddern sich. Von solchen Spielbedingungen hat keiner der Hunde etwas.
6. Sie sind der Boss
Der schlimmste Fehler: wenn der Halter zulässt, dass ihn sein Hund in Richtung eines fremden Tieres zerrt. Vermeiden Sie, dass er sich in kritischen Situationen mit solchem Verhalten durchsetzt. Sie müssen Herr der Lage sein!
7. Den Auslauf begrenzen
Teleskopleinen sind praktisch, doch man muss damit umgehen können. Klappt es mit der Arretierung nicht, rennt der Hund gut und gern fünf Meter weit weg, bis die Leine ihn zurückhält. Wenn ungewollte Begegnungen vermieden werden sollen, ist das entschieden zu weit.
Quelle/Autor: Martin Rütter
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